Guten Beschluss

Predigt zum Neujahrstag 2004

„Guten Beschluss!“ – ich weiß nicht, wie oft wir diesen typisch fränkischen Silvesterwunsch in den vergangenen Tagen gehört haben. Oberflächlich besehen, sagt er: Bring den Silvesterabend gut herum und wache möglichst mit einem klaren Kopf am Neujahrstag wieder auf.
Verglichen mit „Guten Rutsch!“, „Treib’s nicht so bunt!“ – hat der fränkische Wunsch eine größere Tiefe. Denn er hofft, dass etwas zu einem guten Ende gebracht wird. Er wünscht Dir, dass Du das Jahr gut beschließen kannst. Dass du von vielen Dingen sagen kannst: Die habe ich zu einem guten Beschluss gebracht.
Und jeder von uns kennt das gute Gefühl: Wenn ich eine Schule mit Erfolg abgeschlossen habe, wenn der Führerschein bestanden ist, wenn die Ausbildung zu einem guten Ende gebracht ist, wenn das Haus gebaut ist, wenn ich mit einem Problem fertig geworden bin, da fällt eine große Last ab und ich kann leichter und mit neuem Elan weitergehen.
Das wissen wir aber auch: Dass wir vieles mit dem Jahresende nicht einfach zu einem „guten Beschluss“ bringen können. Vieles bleibt unabgeschlossen, vieles zieht sich ins neue Jahr hinein. vieles tragen wir wie ein Päckchen auf dem Rücken mit ins Neue Jahr und können es nicht abschütteln.
Auch für diese Dinge gibt es einen „guten Beschluss“. Allerdings gehört ein Stück Weisheit dazu. Ich muss unterscheiden zwischen Dingen, die ich nicht abschütteln kann, die ich weiterverfolgen muss – alles andere wäre Flucht. Das sind Aufgaben, die ich übernommen habe, die Sorge für die Familie, alles, wofür ich Verantwortung trage und wovor ich mich nicht einfach davonschleichen kann.
Aber es gibt auch so manchen unnötigen Ballast, den ich mit mir herumtrage: alten Ärger, der sich nicht mehr bereinigen lässt; ein Fehlschlag, etwas, was nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, was ich aber nicht mehr ändern kann.
„Guten Beschluss“ würde in diesem Fall heißen: Lass diese Dinge hinter dir. Sie beschweren dich nur. Sie hängen dir wie ein Klotz am Bein. „Guten Beschluss“ würde in diesem Fall heißen: Lass alte Verletzungen hinter dir. Wärme sie nicht dauernd auf. Du behinderst nur dich und andere, neue Wege aufeinander zuzugehen.
Eine alte Mönchsgeschichte erzählt von Paulus, dem Einsiedler: Dieser verdiente sich während des Jahres sein Geld mit dem Flechten von Körben aus Schilf und Bast. Stets hatte er ein ganzes Arsenal von Körben und Gebrauchsgegenständen in seinem Kellion stehen. Und während des Jahres verkaufte er sie an die Ratsuchenden. Aber in der Nacht von Silvester auf Neujahr verbrannte er alles, was nicht verkauft worden ist. Symbolisch verbrannte er damit die unerledigten Reste des Alten Jahres.
Es ist kein so schlechter Rat: die überständigen Reste des Alten Jahres einfach zu verbrennen, um den Kopf frei zu bekommen für Neues, um mit neuem Elan wieder an neue Aufgaben gehen und ungewisse Wege als neue Chance zu begreifen zu können.


Pfarrer Stefan Mai

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