Einführung von Pfarrer Bernhard Öchsner am 7.September 03 in Schweinfurt, Christkönig

Auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen, im Zuge der gewaltigen Umstrukturierungsprozesse in der kirchlichen Gemeindelandschaft, der hohen Überalterung des Klerus und der geringen Attraktivität, die der Priesterberuf auf junge Menschen von heute ausstrahlt, wird wieder viel stärker als noch vor zwanzig, dreißig Jahren über das Profil des Priesterberufes nachgedacht und diskutiert.

Was ist der Priester? Ist er Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde, wie ihn die Kleruskongregation in der jüngsten Instruktion definiert? Kann man die Priester einteilen in zeitlose Kleriker, zeitoffene Gottesmänner, zeitnahe Kirchenmänner oder zeitgemäße Gemeindeleiter, wie es der bekannte Pastoraltheologe P.M. Zulehner in seiner jüngsten Priesterstudie tut? Ist der Priester Repräsentant Christi in der Gemeinde oder eher Repräsentant der Gemeinde? Versteht er sich selbst eher von der sakramentalen Dimension her oder als Begleiter und Anwalt der Menschen? Wird der Priester in der Öffentlichkeit durch die vielfältigen Aufgaben mehr als Leitungsfigur, als Manager eines Betriebs, als Liturgiespezialist, als Sakramentenspender, sozial Engagierter, Koordinator von Gruppen und Aktionen, als Ideengeber oder mehr als Spiritual einer Gemeinde oder Seelenführer erlebt? Was wünschen, erwarten und erhoffen sich Menschen von einem Priester in unseren Tagen?

Bernhard, du beginnst heute deinen Dienst in der Pfarrei Christkönig. Du bist kein gefühlsloser Haudegen, keiner der von oben auf andere herabschaut. So wie ich dich aus der Studienzeit her kenne, gehen dir andere Fragen durch den Kopf: Was erwarten und brauchen Menschen hier vor Ort, was kann ich aufgrund meiner Person, meiner Prägung und Einstellung für sie sein? Mancher Pfarrer kommt sich so vor, wie dein Namenspatron Bernhard von Clairvaux, der sich selbst das Chamäleon seines Jahrhunderts nannte, weil die vielen Erwartungen, mit denen er konfrontiert wurde und die vielen Rollen, die er ausfüllen musste, ihn innerlich fast zerrissen.

Weil niemand allen alles werden kann, weil kein Pfarrer alle Erwartungen erfüllen und in alle Rollen schlüpfen kann, möchte ich Dir heute als Außenstehender nur eine große Hoffnung, die Menschen vom Bergl, so wie ich sie einschätze, in ihrem Herzen tragen, in Worte fassen:

Die Menschen am Bergl wünschen sich einen leutseligen Pfarrer, einen, der nicht im Pfarrhaus sitzen bleibt, der ihnen in einer einfachen und ungekünstelten Art begegnet, der auf einer Ebene mit ihnen spricht, mit dem man nicht nur über hohe Theologie und große Probleme reden kann. Sie wünschen sich einen Pfarrer, der mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen des Bergl geht und nicht vor der Wohnscheibe bereits wieder umkehrt, weil das Bewegen in kircheninternen Gruppen scheinbar leichter und bequemer ist. Ich denke, die Menschen am Bergl hoffen auf einen leutseligen Pfarrer, der den einfachen Mann auf der Straße sieht und ernstnimmt, mit Güte und Respekt ihr Leben anschaut, und dem dann auch Worte für die Predigt einfallen, weil ihm in der Begegnung mit Menschen am alltäglichen Leben viel auffällt.
Diese Pastoral der Leutseligkeit finde ich in der Geschichte, die man sich von Franz von Assisi erzählt. Diese möchte ich dir als Wunsch mit auf dem Weg geben:

Eines Tages schlug Franziskus einem jungen Mönch vor: „Wir wollen in die Stadt gehen und dort den Leuten predigen.“ So machten sie sich auf den Weg nach Assisi. Sie gingen durch die Straßen und über den Marktplatz, redeten miteinander und mit Leuten aus der Stadt. Erst als sie wieder auf dem Weg nach Hause waren, rief der junge Mönch erschrocken aus: „Aber Vater, wir haben vergessen, den Leuten zu predigen.“ Franziskus legte lächelnd die Hand auf die Schulter des jungen Mannes. „Mein Sohn,“ antwortete er, „wir haben die ganze Zeit nichts anderes getan. Wir wurden beobachtet und haben mit Menschen gesprochen. Unsere Gesichter und unser Verhalten wurden gesehen. So haben wir gepredigt.“ Dann fügte er hinzu: „Merke dir, mein Sohn, es hat keinen Sinn zu gehen um zu predigen, wenn wir nicht beim Gehen predigen.“


Pfarrer Stefan Mai

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