Eucharistie hat Konsequenzen

Predigt zum Fronleichnamstag 2003

Der inzwischen verstorbene brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara wurde 1955 beauftragt, den eucharistischen Weltkongress in Rio de Janeiro zu organisieren. Der Kongress ging damals mit großer Prachtentfaltung über die Bühne. Helder Camara war überzeugt: Die Verehrung Jesu in den Gestalten von Brot und Wein muss und darf man sich etwas kosten lassen.
Am Ende des Kongresses bat ihn der greise Kardinal Gerlier aus Lyon um ein Gespräch. Was der alte Mann ihm sagte, das traf Helder Camara wie ein Blitz: „Mein Bruder Dom Helder, weshalb setzen Sie Ihr großes Organisationstalent nicht im Dienst für die Armen ein? Sie müssen wissen, dass Rio de Janeiro zwar einer der schönsten Städte der Welt ist, aber auch eine der grauenvollsten. Denn die in dieser herrlichen Umgebung existierenden Elendsviertel sind eine Beleidigung für den Schöpfer ...“
Helder Camara erzählt selber, dass dieses Gespräch für ihn so etwas wie eine Bekehrung war, ein tiefer Einschnitt in sein Leben und Denken. Ihm wurde klar, dass man nicht Eucharistie feiern kann, wenn der Inhalt dieser Feier keine Konsequenzen hat. Ihm wurde klar, dass die großen hehren Worte wie Hingabe, Opfer, Friede, Liebe, Wandlung ..., die in dieser Feier fallen, sinnentleert werden, wenn sie nicht hineinbuchstabiert werden ins komplizierte Leben. Und Dom Helder Camara wurde zu einem der größten Hoffnungsträger für die Armen.
Dieser Gedanke „Eucharistie feiern hat Konsequenzen“ lässt auch Papst Johannes Paul II in seiner viel diskutierten Eucharistie-Enzyklika, die er am Gründonnerstag dieses Jahres bekannt gab, nicht los. Bewusst nenne ich heute am Fronleichnamstag, dem Hochfest der Eucharistie, diesen Gedanken, weil die Medien ihn totschweigen. Johannes Paul II schreibt mit Herzblut:

„Eine bedeutsame Konsequenz der eschatologischen Spannung, die in der Eucharistie eingeschrieben ist, besteht auch darin, dass sie uns auf dem Weg durch die Geschichte einen Impuls gibt und in die tägliche Arbeit und Pflicht eines jeden einen Samen lebendiger Hoffnung legt. Wenn die christliche Sichtweise nämlich dazu führt, auf einen neuen Himmel und eine neue Erde zu blicken, so schwächt dies nicht, sondern fördert unseren Verantwortungssinn für die gegenwärtige Welt. Ich möchte dies mit Nachdruck am Beginn des neuen Jahrtausends bekräftigen, damit die Christen sich mehr denn je angespornt fühlen, ihre Pflichten als Bürger dieser Erde nicht zu vernachlässigen. Es ist ihre Aufgabe, mit dem Licht des Evangeliums zum Aufbau einer menschenwürdigen Welt im vollkommenen Einklang mit dem Plan Gottes beizutragen.
Viele Probleme verdunkeln den Horizont unserer Zeit. Es mag genügen, an die Dringlichkeit zu erinnern, für den Frieden zu arbeiten, solide und in Gerechtigkeit und in Solidarität verankerte Voraussetzungen für die Beziehungen unter den Völkern zu schaffen, das menschliche Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende zu verteidigen. Und was soll man zu den tausend Widersprüchen einer globalisierten Welt sagen, in der die Schwächsten, die Kleinsten, die Ärmsten scheinbar wenig zu erhoffen haben? Gerade in dieser Welt muss die christliche Hoffnung aufstrahlen! Auch deshalb wollte der Herr in der Eucharistie unter uns bleiben...
Den Tod des Herrn verkünden bis er kommt, bringt für alle, die an der Eucharistie teilnehmen den Auftrag mit sich, das Leben zu verwandeln...(Über die Eucharistie II,20)


Eucharistie feiern hat Konsequenzen und ist nicht nur frommes Schauspiel, das macht mir der Zug durch die Straßen unserer Stadt am Fronleichnamstag mit dem eucharistischen Brot jedes Jahr neu bewusst. Daran erinnert mich auch jede Feier der Eucharistie in unserer St. Maximilian-Kolbe-Kirche. Vom Altar muss ich oft durch das große Fenster hinaus auf die Wohnblocks der Kurt Schumacher Straße schauen. Ich möchte diesen Blick nicht missen, weil er für mich eine stete Erinnerung ist: Eucharistie und Leben gehören zusammen. Und der angedeutete Strom, der von unserem Altar wie von einer Quelle heraussprudelt, macht mir deutlich: Die großen Wörter, die wir in der Eucharistiefeier sprechen und hören, Hingabe, Opfer, Gemeinschaft, Friede, Liebe, Wandlung ... wollen sich draußen vor der Kirchentür im Leben entfalten. „Den Tod des Herrn verkünden bis er kommt, bringt für alle, die an der Eucharistie teilnehmen den Auftrag mit sich, das Leben zu verwandeln...“


Pfarrer Stefan Mai

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