Damit das Wort ankommt...

Predigt zum 3.Sonntag in der Osterzeit (Lk 24,35-48)

Einleitung
In einem Museum für moderne Glaskunst stand ich einmal vor einer Plastik mit dem Titel „Gespräch“. Der Glaskünstler hatte die Umrisse zweier Köpfe in den Glasstein raffiniert hineingearbeitet: Im Hintergrund war der Kopf einer Frau in vollen Umrissen zu sehen, der einem Männerkopf zugewandt war und mit diesem ins Gespräch kommen wollte. Dieser zeigte jedoch nicht sein ganzes Gesicht, sondern war nur halb zu sehen. Der Künstler provoziert durch diese Darstellung die Frage: Was glaubst du? Kann so ein echtes Gespräch gelingen? Oder wie müsste es aussehen? Vielleicht gibt es für Sie einiges zu entdecken, wenn Sie mit dieser Fragestellung im Hinterkopf heute einmal das Evangelium hören.

Predigt
Du kannst noch so gescheit daherreden, aber das berührt mich nicht. Das ist so blutleer, das hat für mich keine Hände und Füße, weil es nichts mit meinem Leben zu tun hat. Was du da redest kann noch so wahr sein, aber das geht mir nicht nah, das kommt einfach nicht an mich ran, weil ich dich selbst in deinen Worten nicht spüre. So denke oder fühle ich manchmal, wenn ich große Reden oder gut gemeinte Ratschläge höre.
So dachten auch die elf Jünger, die da nach dem Tod Jesu herumhingen und ein Wort gebraucht hätten, das ihnen wieder ein Stück innere Ruhe schenkt und sie aus dem Frustgleis raushebelt. Aber als Jesus in ihre Mitte kommt und das große Wort spricht: „Friede sei mit euch“, kommt dieses Wort bei ihnen nicht an, ja das Ganze kommt ihnen gespenstisch vor, so können es nicht so recht zuordnen. Wie kommt es, dass ihnen dann auf einmal eine neue Dimension aufgeht?
Wenn ich genauer das Geschehen im heutigen Evangelium betrachte, fallen mir zwei Dinge auf:
1. Wie Jesus die Angst und Verwirrung der Jünger spürt, geht er auf sie zu und bringt seine Person ins Spiel. Er versteckt sich nicht hinter Worten, sondern zeigt den Jüngern Hände und Füße, fordert sie auf: „Fasst mich doch an!“, und spricht dabei: „Ich bin es selbst“. Den Jüngern dämmert langsam: Diese Worte sind rückgebunden an eine Person, die sind nicht nur so dahergesagt. Dadurch wächst in ihnen wieder zaghaft neues Vertrauen.
2. „Sie staunten, aber sie konnten es vor Freude immer noch nicht glauben“, erzählt Lukas weiter. Und da fragt Jesus: „Habt ihr etwas zu essen hier?“ Und er nimmt den gebratenen Fisch und isst ihn. Dieses Essen schafft Beziehung und baut eine neue Brücke. Erst jetzt ist der Boden bereitet, dass Jesus „ihnen die Augen für den Sinn der Schrift“ öffnen kann.
Liebe Leser, wenn Worte bei mir nicht ankommen oder meine Worte nicht bei anderen ihr Ziel finden, sagt mir das heutige Evangelium, dann liegt es vielleicht daran, dass wir Menschen ein gutes Gespür dafür haben, ob in den Worten auch die Person zum Durchschein kommt, ob hinter den Worten auch glaubhaft ein Mensch steht, zu dem diese Worte passen. Wenn Worte bei mir nicht ankommen oder meine Worte bei anderen nicht rüberkommen, sagt mir der Evangelist Lukas heute, dann liegt es vielleicht daran, dass wir Menschen ein gutes Gespür dafür haben, ob die Beziehungsebene stimmt. Wenn ja, dann kommen auch deine Worte an, wenn nein, dann laufen sie ins Leere oder lösen Verwirrung aus.
Sprich per „Ich“, nicht per „man“ – und: die Beziehungsebene ist entscheidend, ob der Inhalt der Worte beim anderen ankommt, so lauten zwei Grundregeln der modernen Kommunikationsforschung. Ich meine, sie heute schon in dieser alten Ostererzählung entdeckt zu haben.

Fürbitten

Die Evangelien erzählen viel von Gesprächen zwischen Menschen und Jesus. Wir bitten dich.

Wir beten für alle Menschen, die täglich miteinander im Gespräch und Austausch sind und dies als Fundament und Bereicherung ihres Lebens erfahren

Wir beten für alle, die sich täglich sehen und begegnen und sich trotzdem nicht viel zu sagen haben

Wir beten für alle Menschen, die das Gespräch miteinander abgebrochen haben und keinen Weg mehr zueinander finden scheinen

Wir beten für alle getrennt lebenden Partner, die sich fragen, wie sie ehrlich vor ihren Kindern übereinander sprechen können

Wir beten für uns selbst, die sich danach sehnen, dass das Gespräch mit Gott nicht ohne Echo bleibt

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn


Pfarrer Stefan Mai

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