Diese Männer!

Predigt zum 5.Sonntag im Jahreskreis (Mk 1,29-31)

Einleitung

Nur noch ganz selten oder lächelnd-ironisch wird die Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft mit den ehemals drei berühmten "K" umrissen: Küche – Kinder - Kirche. Wer diese Rollendefinition vertritt, gerät heutzutage schnell in Verruf. Moderner und humaner, dem heutigen Verständnis angemessener wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Frau betont und ein anderes "K" ihr Kennzeichen: "K" wie Karriere. Bei der letzten Wahl spielten die Rollen für die Frau auf den Werbeplakaten der Spitzenkandidaten eine große Rolle. Der Kirche traut man keine große Kompetenz in dieser Frage zu. Vielleicht reizt es einmal, unter dieser Fragestellung der Rolle der Frau an das heutige kurze Evangelium heranzugehen.

Predigt

Meistens sind die Anhänger und Anhängerinnen der feministischen Theologie voll des Lobes über den Mann Jesus. Er wird als eine Gestalt herausgestellt, die aus der patriarchalischen Männergesellschaft der damaligen Zeit wie ein erratischer Block herausragt. Es wird betont: Gegen den Trend der Zeit hat sich Jesus mit Frauen abgegeben und sogar Jüngerinnen um sich versammelt. Gegen die Unterdrückung und Bevormundung durch den Mann hat sich Jesus z.B. in der Ehescheidungsfrage klar auf die Seite der Frau gestellt. In seinen Gleichnissen wählt Jesus nicht nur Stoffe aus der Männerwelt, sondern erzählt oft von der Alltagsarbeit der Frau und wertet somit deren Bemühen in der Gesellschaft auf. Jesus als Anwalt der Rechte und Würde der Frau – so wird er gerne genannt.

Ich wage es allerdings zu bezweifeln, dass Anhänger der feministischen Theologie dem heutigen Evangelium etwas abgewinnen können. Nicht dass Jesus eine Frau ungebührlich behandelt, missachtet oder gar verletzt hätte. In Begleitung der Männerriege geht er freundlich auf die kranke Schwiegermutter des Petrus zu, nimmt sie an der Hand, strahlt Güte und Vertrauen auf sie aus, so dass die an Fieber erkrankte Schwiegermutter unerwartet schnell wieder gesund wird. Aber dann tut er etwas, was Feministinnen und Feministen selten verzeihen: Er fällt wieder in das Muster einer Männergesellschaft zurück. Anstatt eine erst genesene Frau noch zu schonen, anstatt dem Petrus und dem Andreas zu sagen: Wir hauen einfach ein paar Spiegeleier in die Pfanne oder machen Brotzeit, die Schwiegermutter soll sich ausruhen, duldet er es und genießt es anscheinend sogar, dass die Schwiegermutter sofort in die Küche springt und etwas Ordentliches auf den Tisch stellt. Also ist auch Jesus nicht dem typischen Männerklischee abhold: Die Frau gehört in die Küche.

Ich muss Ihnen gestehen: Mir gefällt dieses Evangelium. Nicht um als altmodisch verschrieene Frauenrollen wieder religiös neu zu stabilisieren. Nein! Mir gefällt dieses Evangelium, weil es in der Rolle der Schwiegermutter all den Menschen ein Denkmal setzt, die in der Fürsorge für andere Menschen ihren Lebensinhalt sehen und nicht darunter leiden, dass sie fast immer im zweiten Glied stehen. Auch heute gibt es nach wie vor viele Menschen – und das sind nicht nur Ältere und Frauen – die nach der Art der Schwiegermutter des Petrus leben. Solange sie können, sorgen sie für andere. Und solange sie für andere sorgen, hat ihr Leben einen Sinn.

Und genau bei diesen Leuten lässt sich auch oft beobachten, dass sie sich von Jesus aufrichten lassen, wenn sie darniederliegen, und zwar nur zu dem einen Zweck: Dass sie noch ein paar Monate oder Jahre länger da sein dürfen, für andere dasein und für andere sorgen. Ich bin dankbar, dass ich von Menschen erzogen wurde, die solche Dienste nicht als Zwang oder zweitklassige Arbeit empfanden, sondern als ihre eigentliche Lebensaufgabe. Und ich hoffe, dass auch heute in unserer modernen Zeit Menschen mit Selbstbewusstsein auf eine solche Lebenseinstellung stolz sein dürfen, für andere zu sorgen. Ich hoffe, dass sie die Dankbarkeit derer erleben dürfen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Und von einem bin ich überzeugt: Gerade diese Menschen leisten in unserer karriereausgerichteten Gesellschaft einen Dienst, der eigentlich das pflegt, wonach sich alle sehnen, nach menschlicher Wärme und wohltuender Atmosphäre.

Fürbitten

Herr, unser Gott, es stehen verschiedene Rollen für unser eigenes Lebensverständnis bereit, die wir ausfüllen können. Wir bitten dich:

Wir beten für alle, die ihrer Familie zuliebe ihren Beruf aufgegeben haben und dies nie bereut haben

Wir beten für alle, die für die Erziehung ihrer Kinder gute Positionen geopfert und später im Beruf nie mehr richtig Fuß gefasst haben

Wir beten für alle, die weder Arbeitsplatz noch Familie haben

Wir beten für alle, die ihren Beruf als Broterwerb für ihre Familie verstehen

Wir beten für alle, die ihren Beruf als beste Art der Selbstverwirklichung empfinden

Wir beten für alle, die unter ihren Beruf leiden

Wir beten für alle, die im Leben für ihren Dienst Dankbarkeit und Anerkennung erfahren

Wir beten für alle, die viel Lebenskraft im Ehrenamt investiert haben, sich aber ausgenutzt fühlen

Wir beten für alle, die sich als nutzlos und überflüssig in unserer Gesellschaft vorkommen

Wir beten für alle Frauen, die in öffentlichen Ämtern und Spitzenpositionen der Wirtschaft stehen

Wir beten für alle Frauen, die still und im Hintergrund der Familie für ihre Familie da sind

Wir beten für alle Frauen, die sich für die Würde und Rechte der Frauen in Menschenrechtsorganisationen einsetzen


Pfarrer Stefan Mai

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