Der Knecht Gottes – ein Lebensmodell

Predigt zur Taufe des Herrn (Jes 42,1-4)

Predigt

Eine Pfarrgemeinde machte sich bei der Renovierung ihrer Kirche viel Gedanken um die künstlerische Gestaltung eines neuen Kreuzes. Nach einem längeren Diskussionsprozess entschied sich die Gemeinde nicht für eine herkömmliche Form, einen Korpus auf einem Kreuz, sondern für eine recht ungewohnte Darstellung, für die Form eines Models. Der Künstler fräste wie bei einem Backmodel die Konturen des Christuskorpus in die dicken Holzbalken hinein und wollte mit dieser Form dem Betrachter signalisieren: Du bist auf den Namen des Gekreuzigten getauft worden. Dein Leben soll durch den Glauben an den Gekreuzigten geprägt sein. Nimm immer wieder beim Betrachten dieses Kreuzmodels Maß am Lebensmodell Jesu und lass dich darauf ein.

In der Lesung zum Tag der Taufe Jesu wird uns mit der Gottesknechtsgestalt eine Art Model vor Augen gestellt. Es ist eine Gestalt nach Gottes Maß, mit dem die Evangelisten verdeckt die Gestalt Jesu vergleichen. Dieser Knecht ist von Gott erwählt und hat den Auftrag Menschen das Recht zu bringen, wonach sie sich in einer ungerechten Welt so sehr sehnen. Und er führt seinen Auftrag in einem besonderen Stil aus:

- Unauffällig und leise, nicht auftrumpfend und laut

- Rücksichtsvoll mit einem Blick für die Schwachen

- Zielbewusst und konsequent, zäh und unermüdlich

Dieses Lebensmodell ist ein Kontrastmodell zum gängigen Karrieremodell unserer Gesellschaft: Wer etwas auf sich hält und etwas kann, der kann sich gut verkaufen. Der ist doch blöd, wenn er sich leise verhält und still seine Kompetenz mit einbringt. Der macht auf sich aufmerksam und zeigt den anderen wie wichtig er ist. Der hat das Recht, laut aufzutrumpfen, und hält mit seinen Erfolgen nicht hinter dem Berg. Auf Schwache und Minderqualifizierte kann er in den sogenannten Kompetenzteams keine Rücksicht nehmen und er ist angewiesen auf schnelle Erfolge, sonst gerät er selbst unter die Räder.

Das Gottesknechtsmodell propagiert einen anderen Lebens- und Umgangsstil. Es propagiert den Weg der leisen Töne. Es ermuntert dazu, meine Aufgaben nicht laut und auftrumpfend, sondern eher zurückhaltend und leise zu erfüllen. Es vertritt die Devise: Können, Wissen, Kompetenz, das brauchst du nicht laut vor dir herzuposaunen, das überzeugt auf Dauer von sich selbst. Wer zu laut schreit und groß auftrumpft hat oft etwas zu verbergen.

Auch im Umgang mit anderen Menschen, vor allem mit den Schwachen, mit denen, die nicht zu den großen Leistungsträgern gehören, sondern eher mitgeschleppt werden müssen, vertritt das Gottesknechtsmodell andere Maßstäbe. "Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus." Nie den Stab über einen Menschen brechen, nicht die Hoffnung aufgeben, dass auch im gebrochenen Menschen , dessen Lebensenergie auf Sparflamme brennt, Unerwartetes stecken kann – für diesen rücksichtsvollen Lebensstil wirbt es.

Der Weg der leisen Töne und des rücksichtsvollen Umgangs mit Menschen ist kein schneller Erfolgsweg. Er erfordert Zähigkeit und Durchhaltevermögen. Vom Gottesknecht heißt es: "Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen." Wie leicht ist es, Dinge schwungvoll anzupacken, und wie verführerisch, sie wieder liegen zu lassen, wenn die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Von den vielen Glückwunschkarten, die ich vor zwanzig Jahren zu meiner Priesterweihe erhielt, hat mich eine am meisten beeindruckt. Auf dieser stand nur ein einziges Wort: "Durchhalten".

Liebe Leser, die Evangelisten malen die Jesusgestalt auf der Hintergrundfolie der Gestalt des Gottesknechts: Jesus erhält wie der Gottesknecht als Erwählter einen besonderen Auftrag und trägt diesen konsequent durch. Geben Sie diesem Lebensmodell in der heutigen Zeit noch Chancen?



Fürbitten

Viele Lebensmodelle stehen uns Menschen zur Umsetzung zur Verfügung. Gott wir bitten dich:

Für alle Menschen, die nicht nur auf Äußeres und auf Erfolg schauen

Für alle, die Menschen bemerken, die nicht im Mittelpunkt stehen

Für alle, die sich leise, aber treu um ältere und kranke Menschen mühen

Für alle, die durch Taten, Worte und Blicke erniedrigt werden

Für alle, die sich für etwas Besseres halten

Für alle, die andere bewusst übersehen

Für alle, die nicht mit allen Wassern gewaschen sind

Für alle, die auch heute noch mit Gottes Geist rechnen

Für alle, die ihr Leben als Auftrag Gottes verstehen

Für alle, die sich als getaufte Christen ihrer Würde und Verantwortung bewusst sind

Für alle, die versuchen, ihr Christsein täglich zu leben

Für alle, die in diesem Jahr in unserer Kirche getauft werden


Pfarrer Stefan Mai

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