Weltmissionssonntag 2002

Einleitung

Der Weltmissionssonntag rückt in diesem Jahr die Region des südlichen Afrika besonders in den Blick. Afrika ist ein Kontinent mit vielen Reichtümern. Es gibt wunderbare Landstriche, viele Bodenschätze und exotische Tiere. Afrika ist aber auch ein Kontinent mit großen Problemen. Der "schwarze Tod" oder die "neue Geißel der Menschheit" genannt, die Immunschwäche Aids sucht den schwarzen Kontinent wie keinen anderen heim. Deswegen hat Missio dieses Thema für den diesjährigen Weltmissionssonntag aufgegriffen und zu einem Aktionsbündnis gegen Aids aufgerufen.

Predigt

(Hintergrundinformationen sind dem Magazin zum Monat der Weltmission missio "oktober" entnommen)

"Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß." Dieses geflügelte Wort kennen wir. Bis 1981 wussten Menschen wenig über das Immunschwächesyndrom Aids. 1981 werden erste Anzeichen einer Erkrankung, die später HIV-Infektion genannt wird, bei homosexuellen Männern an der amerikanischen Westküste entdeckt. Eine weltweite Suche nach den Ursachen setzt ein und die medizinische Fachwelt beschäftigt sich mit einem neuen Krankheitsbild: Aids.

1983 entdecken Wissenschaftler die Ursache: den HIV- Virus.

Erste Aids-Infizierte in Deutschland werden bekannt. Bald weiß man, Aidspatienten gibt es in jeder Region der Welt.

Schlimme Prognosen wurden für die Zukunft erstellt, doch die Realität übertrifft alle Befürchtungen: 40 Millionen sind weltweit mit der Immunschwäche Aids infiziert. Zwei Drittel davon in Afrika. Um sich das Ausmaß des Elends einmal vorstellen zu können, ist an den Altarstufen ein Umriss des Afrikanischen Kontinents mit Sand dargestellt. Im südlichen Afrika, unterhalb der Wüste Sahara, leben 110 Millionen Menschen. 110 Lichter brennen symbolisch. Jede Kerze steht für eine Million Menschen.

Doch das Leben dieser Menschen ist bedroht. Nirgendwo auf der Welt ist die Gefahr an der Immunschwäche Aids zu sterben so groß wie in diesem Teil Afrikas. Im Jahr 2000 waren schon 23 Millionen Menschen an Aids erkrankt.

In Deutschland können die Menschen, die an Aids erkranken oft noch länger leben. Doch in Afrika lebt kaum einer längere Zeit mit dieser Immunschwäche. An Aids erkranken bedeutet im südlichen Afrika: innerhalb von ein oder zwei Jahren sterben müssen.

Man kann es sich kaum vorstellen: 23 Millionen werden in den nächsten beiden Jahren im südlichen Afrika an den Folgen von Aids sterben müssen. Es wird dunkel auf dem schwarzen Kontinent. Über ein Drittel der Jungen, die heute 15 Jahre alt sind, werden an Aids sterben. Die Lebenserwartung wird im südlichen Afrika um 25 bis 30 Jahre zurückgehen. Dies führt zu großen gesellschaftliche Veränderungen: Immer weniger produktive Menschen haben immer mehr Kinder und alte Menschen zu ernähren. Schon heute hat der südliche Teil Afrikas über 10 Millionen Waisenkinder. Ein Drittel der Kinder von HIV-infizierten Müttern werden ebenfalls an Aids sterben. 95% aller Aidswaisen leben in Afrika. Jede Minute stirbt ein Kind an dem Virus.

Man kann sich diese Dimensionen kaum vorstellen: Wenn sich in Afrika eine Gemeinde zum Gottesdienst trifft, dann ist es klar: In ein oder zwei Jahren wird jeder Vierte, in manchen Gegenden sogar jeder dritte aus dieser Gemeinde durch Aids hinweggerafft. Denn nur 2% aller HIV Infizierten haben Zugang zu lebensverlängernden Medikamenten.

Nun werden 23 der 110 Kerzen in Stille gelöscht

An Aids zu erkranken bedeutet im südlichen Afrika auch, völlig zu vereinsamen. Denn diese Krankheit macht Angst. Viele Aids-Kranke werden von Freunden und Verwandten verlassen. In den letzten Tagen ihres Lebens ist keiner mehr da, der sich um sie kümmert. Schon zu Lebzeiten scheinen die Erkrankten

aus dem Gedächtnis ihrer Angehörigen und Freunde ausgelöscht zu sein. Noch lebend – sind sie tot. Aus diesem Grunde wandte sich der 11-jährige Nkosi Johnson im Juli 2000 auf einer Aidskonferenz mit den folgenden Worten an die Teilnehmer:



"Sorgt für uns und akzeptiert uns, wir sind alle Menschen. Wir haben Hände. Wir haben Füße. Wir können laufen, wir können sprechen, wir haben Bedürfnisse genau wie jeder andere auch, haben Sie keine Angst vor uns, wir sind alle gleich."

Ein Jahr später war Nkosi Johnson tot.

Vor allem die Kirchen arbeiten in Afrika hart dafür, die Auswirkungen dieser Krankheit zu lindern und die Ausbreitung des Virus einzugrenzen.

Nach Angaben des Vatikan wird jeder 4. Aidskranke weltweit in Einrichtungen der katholischen Kirche gepflegt. 12% aller Aids-Einrichtungen weltweit sind in kirchlicher Trägerschaft. Kirchliche Organisationen, wie auch missio, engagieren sich in Zusammenarbeit mit den Regierungen im Bereich der Aufklärung und Vorbeugung, bauen Hilfsorganisationsstrukturen für die Aids-Waisen und Aidskranken auf und treten gegen eine Stigmatisierung der Kranken ein.

Viele christliche Gemeinden versuchen in aller Ohnmacht aus ihrem Glauben heraus, ein Licht der Hoffnung für die Aids-Kranken ihrer Gemeine anzuzünden, wofür Jenny aus Kapstadt mit ihrem Einsatz ein Beispiel ist:

Die Osterkerze wird angezündet

und still auf den Afrikakontinent gestellt



(Eine Frau liest:)

Ich heiße Jenny und bin Sekretärin in Kapstadt. Noch vor Jahren hätte ich es für unmöglich gehalten, dass ich einmal als Seelsorgerin in meiner Freizeit aidskranke Menschen betreuen würde. Doch inzwischen ist mir der Tod nicht mehr fremd. Ja er ist zu einem vertrauten Weggefährten geworden. Ich will dir erzählen, wie das ist mit dem Tod und Aids...

Für die meisten beginnt es so: Müdigkeit legt sich auf deinen Körper, endlose Müdigkeit, und du weißt nicht warum. Du gehst zum Arzt. Blut wird entnommen. Und du wartest. Nach einer Woche oder zwei dann der Befund: Aids. Wie ein Echo, erbarmungslos schrill, hallt es in deinen Ohren: Aids. Du hast Aids und vielleicht ein paar Monate bis zum Abschied für immer.

Verzweifelt und niedergeschlagen verbringst du die Tage nach dem Erhalt dieser Botschaft: "Werden sie mich verbannen wie einen Aussätzigen?" fragst du dich. "Werde ich meine letzten Tage auf dieser Erde einsam und ohne Trost meiner Liebsten verbringen? Werden sie mich verurteilen? Werden sie ein neues, endgültiges Todesurteil fällen, wenn sie von meiner unheilbare Krankheit erfahren? Fast jeder der 17 Aidspatienten aus unserer Pfarrei, die ich bis jetzt betreute, litten anfänglich unter der furchtbaren Angst, mit dem Teufels-Virus im Blut zur unerwünschten Person in ihrer Familie und unter Freunden zu werden. Dabei solltest du wissen: nichts ist uns Afrikanern so heilig wie unsere Familie.

Ich musste unzählige Einzelgespräche mit den Angehörigen der vom Tode Gezeichneten und mit den Nachbarn führen: Habe ihnen klar gemacht, wie sie sich vor Infektion schützen können. Dass wir Christen nach keinem Menschen mit Steinen werfen dürfen. Dass Gott Barmherzigkeit will und nicht bigotte Empörung.

Inzwischen brauchen sich die Aids-Kranken unserer Pfarrei nicht mehr in dunklen Lehmhütten zu verstecken. Wir fahren sie auf Rollstühlen im Viertel spazieren, damit sie wenigstens einmal pro Tag die warme Sonne auf der Haut verspüren. Damit sie das aufmunternde Lächeln befreundeter Menschen sehen. Oder damit sie von ehemaligen Schulkollegen einfach nur hören: "Ich bete für dich!"

Nun vielleicht wundert es dich, wenn ich dir hier verrate, dass bei unserer Betreuung unheilbar Kranker liebevolle Gesten viel wichtiger sind als fromme Worte. Der Händedruck. Die sanfte Massage schmerzender Arme und Beine. Die Krankensalbung mit dem Zeichen des Kreuzes. Das regelmäßige Waschen des Körpers. Die spontane Umarmung – das alles sorgt auf wunderbare Weise für das Wohlbefinden unserer Patienten.

Ich selbst habe begriffen, dass es die Aids-Kranken als schönstes Geschenk empfinden, wenn ich sie dreimal pro Woche besuche und dann einfach nur da bin. Bei ihnen sitze. Kleine Wünsche für sie erfülle und an ihren Blicken ablese, dass sie sich in der Nähe fürsorglicher Menschen vor dem Tod nicht mehr fürchten. Dass sie zuversichtlich auf ein neues Leben warten, wo es keine Immunschwäche-Krankheiten mehr gibt, und wir Menschen restlos glücklich sind.

Zum Schluss muss ich dir noch sagen: Ich habe selten einen der von uns betreuten Aids-Kranken jammern und stöhnen gehört. Die meisten verabschieden sich still und friedlich.

(Aus missio SMS-Solidarität mit Südafrika, S.16)


Der Arzt Piet Reijer, der vom Missionsärztlichen Institut in Würzburg nach Uganda geschickt wurde, um im Kampf gegen Aids mitzuwirken meint: "Die Aidsproblematik in Afrika wird von den westlichen Ländern einfach zu wenig ernst genommen." Und er mahnt: " Die Botschaft der Hoffnung ist bisher ein Flüstern, aber es ist unsere Pflicht, diese Botschaft laut und deutlich zu verbreiten." Denn die Beobachtung, die William Foege machte, scheint zu stimmen: "Wenn die Reichen ihre Angst verlieren, sind sie nicht bereit, in die Probleme der Armen zu investieren."


Pfarrer Stefan Mai

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