Wir danken Gott für euch alle

Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis (1 Thess 1, 1-5b)

Die große Danklitanei des Marc Aurel

Im Jahre 161 nach Christus wurde Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus römischer Kaiser. Wir nennen ihn Marc Aurel, den "Philosophen auf dem Kaiserthron". Marc Aurel verbrachte die 19 Jahre seiner Herrschaft zum großen Teil in Heerlagern. In dieser Zeit schrieb er zwölf Bücher an sich selbst, eine Sammlung meditativer kurzer und einprägsamer Sprüche. Unter dem Titel "Selbstbetrachtungen" sind sie in die Geschichte der Weltliteratur eingegangen. Es berührt mich, dass Marc Aurel im ersten Buch mit einer großen Danklitanei beginnt. Er zählt die vielen Menschen auf, denen er wichtiges im Leben verdankt. Es ist bewegend, wenn ich lese:

Von meinem Großvater habe ich das Gutartige und Gelassene.

Mein Vater war mir vorbildlich in seiner Milde, die eine unerschütterliche Beständigkeit in dem, wofür er sich nach reiflicher Überlegung entschieden hatte, nicht ausschloss. In jeder Lebenslage bewahrte er Zufriedenheit und Heiterkeit. In seinem Verhältnis zu den Göttern beherrschte ihn keine abergläubische Furcht, und den Menschen gegenüber buhlte er nicht um Beliebtheit.

Von meiner Mutter habe ich die Frömmigkeit und Wohltätigkeit. Ihr verdanke ich die schlichte Lebensweise, die sich fernhält von herrischem Prunk.

Mein Erzieher lehrte mich, wie man Anstrengungen erträgt, sich mit wenigem begnügt, bei allem selbst Hand anlegt und sich fernhält von Dingen, die einen nichts angehen. Ach flößte er mir Widerwillen gegen Angeberei ein.


Viele Namen zählt Marc Aurel noch in einer großen Litanei auf und erinnert sich an alles, was er seiner Frau, seinem Bruder, seinen Freunden, Philosophen und Lehrern verdankt. Und er lässt die dankbare Erinnerung enden in einem großen Dank an die Götter, die ihm all diese Menschen an die Seite gestellt hatten.

Der Dank an eine Gemeinde

In der heutigen Lesung schreibt Paulus einen Brief an die Gemeinde von Thessaloniki. Thessaloniki war seine Lieblingsgemeinde. Mit Dankbarkeit denkt Paulus an das Wirken in dieser Gemeinde zurück und an das, was aus ihr geworden ist: "Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken." Und er erzählt, warum er so dankbar ist. Er spürt: In dieser Gemeinde ist der Glaube an Jesus lebendig.

Da wird nicht nur Gottesdienst gefeiert. Da setzten sich Leute auch füreinander ein, haben Durchhaltevermögen und strahlen Hoffnung aus. Und dieses Lebens- und Glaubensbeispiel gibt dem großen Seelsorger Paulus, der sich in der nächsten Gemeinde schwer tut, selbst Kraft im Glauben. Die Thessalonicher werden für ihn zum Vorbild und machen ihm Mut, weil er an ihnen erleben darf: Mein seelsorgerliches Mühen und Wirken war nicht vergeblich. Von der Saat ist etwas aufgegangen.

Mein Dank

Liebe Leser,

Kaiser Marc Aurel ermuntert mich, es nicht als selbstverständlich zu nehmen, was Menschen für mich getan haben. Er macht mir klar, dass ich vielmehr durch gute Menschen empfangen habe, als ich es mir oft eingestehe.

Der Apostel Paulus erinnert mich, dass auch die Pfarreien, in denen ich bisher gelebt habe, mich mit vielem bereichert haben. Meiner Heimatgemeinde verdanke ich meine Freude an der Liturgie. Meiner ersten Liebe in der Seelsorge, den drei Hochspessartpfarreien, verdanke ich als junger Kaplan die Erfahrung, welch großes Vertrauen mir Menschen trotz mancher Unerfahrenheit im Leben entgegengebracht haben und wie dadurch die Freude an meinem Beruf gewachsen ist. Meiner zweiten Kaplanstelle in Aschaffenburg verdanke ich durch den Dienst in einem Unfallkrankenhaus und in Altenheimen die Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod. Nie hätte ich früher gedacht, dass Krankenseelsorge später einmal zu meinen Lieblingsgebieten gehört. Ohne meine erste Pfarrstelle in Landgemeinden hätte ich - so paradox es klingen mag – nie mein Interesse für die moderne Kunst entdeckt.

Bewusst breche ich hier ab. Nicht, weil ich den Menschen in St. Maximilian Kolbe nichts zu verdanken hätte, sondern weil ich Sie mit dieser Leerstelle ganz bewusst einmal dazu anregen möchte, mit mir darüber nachzudenken: Was verdanke ich Menschen in dieser Pfarrei und Erfahrungen, die ich hier am Deutschhof machen durfte, für mein Leben?

Meditative Musik


Pfarrer Stefan Mai

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