Was sind wir? Pächter oder Besitzer?

Predigt zum Erntedankfest am 27.Sonntag im Jahreskreis (Mt 21,33-44)

Was sind Sie lieber? Mieter oder Besitzer einer Wohnung? Pächter oder Eigentümer eines Grundstückes? Natürlich Besitzer und Eigentümer, ist die Antwort. Es scheint schon in der Natur des Menschen zu liegen, Besitzer sein zu wollen, etwas sein eigen zu nennen. So ist es der Wunsch von uns Menschen: sein eigener Herr sein, Herr auf eigenem Boden, Herr in seinen vier Wänden, Herr seiner selbst. Nur nicht abhängig sein!

Da tun wir uns schon von vorneherein schwer mit dem Gleichnis vom Großgrundbesitzer, der seine Knechte ausschickt, um die Pacht zu kassieren. Auch wenn wir die radikalen Mittel der Pächter nicht akzeptieren, so empfinden wir beim Pachteintreiben ein gewisses Unwohlsein, wittern Unrechtsstrukturen von Großgrundbesitzern und wehrlosen Landpächtern.

Und doch entdecke ich in der Aufforderung des Gleichnisses, dem Herrn die Früchte abzuliefern, wenn es Zeit dafür ist (V 41), eine Lebenssicht und – einstellung, die Grundlage für eine humane und gerechte Welt wäre.

Das Gleichnis behauptet: Gott hat mir als Mensch den Weinberg meines Lebens zugeteilt, auf dem ich leben und wirtschaften kann. Es macht aber zugleich deutlich: Unser Leben ist nur ein geliehenes Gut, das wir verantwortungsvoll verwalten sollen, das nie unser Besitz, sondern immer nur ein Lehen bleibt, das uns letztlich nicht selbst gehört. Er hofft darauf, dass mein Weinberg Früchte bringt und er erwartet, dass ich von meinen Früchten wieder einen Teil zurückerstatte. Das Gleichnis räumt mit der Einstellung auf: Alles was mir im Leben zufällt, alles was ich mir erwirtschafte und erarbeite, gehört nur mir allein. Es möchte eine neue Nachdenklichkeit provozieren und mir klar machen: Du bist nicht der Herr deines Lebens. Das Gleichnis kämpft an gegen die Einstellung "Alles für mich" und weist auf meine Pflicht und Schuldigkeit hin, vom Ertrag meines Weinbergs weiterzugeben und so etwas mehr Gerechtigkeit in mein Lebensumfeld zu bringen. Es macht mir deutlich: Du hast mit deinem Leben Kräfte und Begabungen geschenkt bekommen, nicht nur für dich allein. Du bekommst so viel in deinem Leben unverdient geschenkt. Und es wird von dir mit einer Selbstverständlichkeit erwartet, dass du in der Haltung eines Pächters verpflichtet bist, von deiner empfangenen Güte und wozu sie dich befähigt hat, von deiner Kraft und deinen Begabungen, die dir viel im Leben ermöglicht haben, zurück zu geben und an Menschen weiter zu geben.

Einer, der dies verstanden hat und dessen Leben deshalb so fruchtbar war, war Franz von Assisi. Er war überzeugt: Unser Leben ist nur ein geliehenes Gut. Und deswegen ermahnt er seine Mitbrüder in der Ordensregel: "Und alles Gute wollen wir dem Herrn, dem erhabensten und höchsten Gott, zurückerstatten und alles Gute als sein Eigentum anerkennen und ihm für alles Dank sagen, von dem alles Gute kommt."

Diese Haltung , dankbar von dem zurückgeben, was ich in meinem anvertrauten Lebensweinberg zustandebringe, möchte das Erntedankfest Jahr für Jahr in Erinnerung halten.


Pfarrer Stefan Mai

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