Wer spärlich sät, wird spärlich ernten

Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis (Mt 13,1-9)

Ein dummer Bauer, der so unvorsichtig mit seinem kostbaren Saatgut umgeht. Einfach dumm, die Saatkörner auf den Weg zu streuen und somit den Vögeln als bequemes Futter vor die Schnäbel zu werfen. Einfach unklug, in die Dornen hinein zu säen. Was soll da schon wachsen können?

Die Exegeten erklären zwar: Zur Zeit Jesu hatten die Bauern andere Anbaumethoden, als wir sie gewohnt sind. Da warf man erst den Samen auf das brachliegende Feld aus und pflügte dann den Boden um. Da hatten Menschen oft ihre Trampelfade über die Felder getreten, da wuchsen manchesmal Distel und Dornen auf den Äckern. Und so konnte es bei dieser Feldbearbeitung schon vorkommen, dass Körner bei der Aussaat auf den Weg oder unter die Dornen fielen, bevor dann umgepflügt wurde.

Ein interessanter Erklärungsversuch. Aber, ehrlich gesagt, als Bauernbuben befriedigt er mich nicht. Denn dann müsste man noch immer einen Grund dafür finden, warum der Sämann auf steinigen Boden sät, wo jeder weiß, dass auch da nicht viel zu holen ist.

Ich bin überzeugt: Jesus erzählt ganz bewusst von diesem dummen Bauern, weil er seine Zuhörer provozieren will, ja weil er bei seinen Zuhörern Sympathie für die Haltung des Sämanns gewinnen will.

Sind wir doch einmal ehrlich. So falsch liegt Jesus nicht. Wenn mir Einsichten, Grundüberzeugungen und Werte ganz wichtig sind, versuche ich sie nicht auch dann weiterzugeben, wenn wenig Chancen auf Erfolg bestehen. Geben Eltern ihren Kindern nur einen guten Rat, wenn diese aufnahmebereit und gut auf sie zu sprechen sind? Oder tun sie es nicht auch dann, wenn diese sagen: Jetzt hör einmal auf mit deinem alten Schmarrn! Halte ich so einfach den Mund, wenn ich spüre: Mein Gegenüber beginnt süffisant zu lächeln oder wendet sich desinteressiert ab, aber mir ist die Sache ungeheuer wichtig und ein Herzensabliegen. Lege ich dann einfach eine Lebenshaltung ab, wenn ich spüre, die kommt nicht so an? Werde ich nicht trotzdem versuchen, diesen Wert weiterzugeben, auch wenn er anscheinend nicht gefragt ist? Was mir wichtig und wertvoll ist, das halte ich nicht einfach aus Angst vor Misserfolg oder Enttäuschung zurück. Da stelle ich nicht jedes Mal eine Kosten-Nutzen Rechnung zwischen Aufwand und Erfolg auf, bevor ich den Mund aufmache oder handle.

Liebe Leser, in der letzten Woche gab ich einem älteren Ministranten das Lektionar in die Hand und bat ihn: Bitte lies diesen provokativen Text des Profeten Amos besonders gut vor, dass er unter die Haut geht. Der Ministrant meinte darauf: "Ach, Herr Pfarrer, ob der Text provokativ oder einschläfernd ist, ob er gut oder weniger gut vorgetragen wird, glauben Sie wirklich, dass er rüberkommt?"

Sicherlich, wer 20 Jahre in der Verkündigung tätig ist, der ist vorsichtig, ob die Worte der Schrift und seine Erklärungen überhaupt ankommen, der schraubt seine Erwartungen ziemlich zurück und wird Realist. Aber mir wäre Angst, wenn ich vor jedem Tun Effizienzrechnungen anstellen und mich fragen würde: Ist der Zeitaufwand dafür gerechtfertigt? Mir wäre Angst, wenn Menschen ihr kostbares Saatgut, das, was sie selbst bereichert, ihnen wertvoll und wichtig ist, nicht mehr mit ein Stück Blindheit und Naivität weitergeben möchten, aus Angst, sie könnten wieder Misserfolg ernten.

Unsere Welt braucht dringend diese Verrückten – und das Gleichnis Jesu verspricht: Am Ende werden diese Sämänner und -frauen nicht mit leeren Händen dastehen.


Pfarrer Stefan Mai

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