Der Geschmack der Liebe

Predigt zum Fronleichnamsfest 2002 (nach einer Idee von Peter Hinsen)

Wenn eine Mutter ihr kleines weinendes Kind auf den Arm nimmt, es mit seinem Rotznäschen liebkost, ja es fast verschlingt, dann kommt dies einem Außenstehenden nicht gerade appetitlich vor. Wenn Verliebte miteinander schmusen, als ob sie sich am liebsten verschlingen würden, dann denken sich Außenstehende oft: Ich weiß gar nicht, was an der oder dem besonderes dran sein soll. Die einen spüren: "Ich hab dich zum Fressen gern", andere schütteln verwundert den Kopf oder es lässt sie kalt, vielleicht stößt es sie sogar ab. Was lerne ich daraus? Den besonderen Geschmack entdeckt nur die Liebe.

So ist es auch mit dem Stückchen Brot, von dem Jesus sagt, dass er sich selbst damit zur Speise gibt. Bei der Vorbereitung der Kinder auf die feierliche Erstkommunion erkläre ich den Kindern immer, was wir ausdrücken wollen, wenn wir zum Kommunionempfang unsere Hände wie eine Schale formen. Bei der letzten Probe erkläre ich ihnen, wie die Hostien gebacken werden und lege dann auch immer den Kindern aus einer Tüte ein normales Hostienbrot auf die Hand. Ich sehe ihnen an, wie gespannt sie auf den Geschmack dieses Brotstückchens sind. Nicht selten ist dann aber die Reaktion: "Das schmeckt aber nicht besonders, das schmeckt doch wie eine gewöhnliche Oblate."

Erst in diesem Jahr erzählte mir dagegen eine Mutter, dass ihr kleiner Lukas nach dem Gottesdienst zu ihr kam und meinte: "Mama heut hat die Hostie viel besser geschmeckt. Die war ja gesegnet." Kindliche Einbildung, können wir sagen. Denn das eucharistische Brot hat nach der Wandlung keinen anderen Geschmack als zuvor. Und doch schmeckte es dem Lukas anders. Es kam die Beziehung, die Liebe dazu. Sie verleiht dem Brot seinen besonderen Geschmack.

Dieses Brot schmeckt keinem von uns immer gleich gut. Zu manchen Zeiten empfinden wir den Geschmack fast schal, der Appetit darauf ist nicht groß. Es schmeckt nicht besonders. Und es gibt Zeiten, da essen wir es mit einem besonderen Empfinden, einem besonderen Gefühl und Geschmack. Ich denke, es hängt damit zusammen, ob ich ehrlich sagen kann, ich hab diesen Jesus zum Fressen gern und glaube daran, dass auch er mich gern hat.

Es ist für mich eine kluge Entscheidung der Kirche, dass sie für die Kommunion nicht besonders gewürztes Brot, leckere Kuchenstückchen oder Gourmethäppchen für das Mahl der Christen gewählt hat, sondern der Tradition des jüdischen Paschamahles treu geblieben ist. Das Brot ist ungesäuertes Brot und hat einen unaufdringlichen neutralen Geschmack. Nicht das Brot soll es in erster Linie sein, was uns danach verlangen lässt, sondern die Sehnsucht und sein Geschmack der Liebe. Diesen Geschmack muss man immer wieder neu entdecken. Wenn das Brot manchmal nach nichts schmeckt, liegt es sicher nicht am Hostienbäcker …


Pfarrer Stefan Mai

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