Wenn ihr Gott nicht bezeugt...
Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17)
Im hohenpriesterlichen Gebet, dessen Anfang wir heute im Evangelium gehört haben, zeigt Jesus noch einmal auf, worum es ihm in seinem Wirken ging. Es war der Sinn seiner Existenz, in und durch sein Leben Gott zu verherrlichen, ihn zu bezeugen. Es war das Ziel seines Auftrags, seinen Namen unter den Menschen bekannt zu machen.
"Wenn ihr Gott nicht bezeugt, so ist er nicht", heißt es in einem jüdischen Wort. Es will klarstellen, wenn Gott im Leben derer, die an ihn glauben kein Gewicht hat, wie können dann andere von ihm angerührt werden? Wenn er im Leben der Gläubigen nicht aufscheint, wie können dann andere etwas von seiner Herrlichkeit ahnen?
Gott kann verloren gehen, schneller als man meint, sogar mitten in seiner Kirche, mitten in Frömmigkeitsübungen, mitten im religiösen Betrieb. Wie schnell kann Kirche erlebt werden als Sachwalterin eines großen Erbes, vielleicht sogar nur als Dienststelle, die den lieben Gott verwaltet, aber nicht als Ort, an dem die Herrlichkeit Gottes aufscheint. Aber gerade das suchen Menschen von heute. In einem Gedicht schreibt Michael Krüger, ehemaliger Lektor beim Hanser-Verlag:
Gestern abend ging ich- bitte
frag nicht: warum?- in die Kirche
im Dorf, hockte mich bibbernd
zwischen die alten Leute
In einer der engen Bänke
und bewegte die Lippen, als hätte ich
mitzureden. Es war ganz leicht.
Schon nach dem ersten Gebet- wir
beteten auch für dich- wuchs mir
die Maske des Guten übers Gesicht.
Vorne pickte der alte Pfarrer,
ohne eine Lösung zu fordern,
wie ein schwarzer Vogel lustlos
im Evangelium, schien aber nichts
zu finden, uns zu verführen.
Kein Leitfaden, kein Trost.
Nach einer Stunde war alles vorbei.
Wenn ihr ihn nicht bezeugt, so ist er nicht! Diese Kirche, die kalten Bänke, alte Leute, ein lustloser Kultfunktionär, totes Ritual, Lippendienst, Routine – wo soll da etwas von der Herrlichkeit Gottes aufleuchten?
Und doch war nach einer Stunde nicht "alles vorbei". Das Gedicht endet unerwartet:
Draußen lag ein unerwartet helles Licht
Über dem See, und ein Wind kam auf,
der mich die Unterseite der Blätter
sehen ließ.
Wenn ihr Gott nicht bezeugt, so ist er nicht. So realistisch dieser Satz klingt, so tröstlich ist für mich, dass sich Gott oft anderer Mittel bedient, um verdeckt etwas von seiner Herrlichkeit aufleuchten zu lassen.
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