Vaya con dios

Predigt zum Welttag der Geistlichen Berufe (A/Ost 4)

Das erste Morgenlicht fällt auf das Kruzifix einer kargen Klosterzelle. Man hört eigenartige Geräusche. Ein Mönch macht seine Atemübungen.

Der Abt zieht am Glockenstrang und ruft seine Mitbrüder zum Chorgesang. Und dann stehen sie da: Die vier Übriggebliebenen des aussterbenden Ordens der Cantorianer in der großen mittelalterlichen Kirche des verfallenden Klosters, Abt Stephan, der schwergewichtige Tassilo, der intellektuelle Musikwissenschaftler Benno und der Jüngste, Arbo, fast noch ein Milchbart – und fangen zu singen an.

So beginnt der Film "Vaya con dios", der zur Zeit in den deutschen Kinos läuft. Und im Kinosaal wird es bei dieser geistlichen Musik mucksmäuschenstill. Gemäß ihrer Ordensregel leben diese Cantorianer, die es eigentlich nie gegeben hat, nach dem Motto "sequere vocem", "folge deiner Stimme". Sie glauben, dass man nur im Gesang nah bei Gott sein könne und stellen deshalb ihr ganzes Leben in den Dienst des kunstvollen Gotteslobes. Abt Stephan, der trotz hoher Schuldenberge das Kloster noch über die Runden brachte, erleidet einen Herzinfarkt und nimmt auf dem Sterbebett den drei Mitbrüdern noch das Versprechen ab, das wertvolle Original der Ordensregel nach Italien zum letzten Cantorianerkloster zu bringen. Er überreicht dem Jüngsten, Arbo, seine Stimmgabel, die er immer als Kreuz auf der Brust trug, und stirbt.

Dann machen sich die drei ungleichen Mönche auf den Weg nach Italien. Nur in einem ähnlich, der Weltfremdheit und -unerfahrenheit. Ihre Odyssee durch Deutschland gestaltet sich zur Bewährungsprobe, dem Glauben und ihrem Ideal treu zu bleiben. Jeder der drei erlebt nach Alter, Wissen und Lebensprägung seine spezielle Verführung. Der junge hübsche Arbo verliebt sich in die flotte Journalistin Chiara, die auf der Landstraße in einem Cabriolet daherbraust und das Mönchstrio einlädt, mit zu fahren. Tassilo, der schwergewichtige Bauernsohn will nochmals sein Elternhaus sehen. Die Wiederbegegnung mit seiner Kindheit und alten Mutter hält ihn fest. Benno, der Älteste, kommt schließlich im Jesuitenkolleg einer Großstadt vom Weg ab. Der Jesuitengeneral bietet ihm an, die kostbaren Handschriften in der brocken Musikbibliothek zu studieren und zu editieren. Und dafür gibt er sogar die alte Ordensregel preis.

Der Regisseur Spirandelli setzt sich in diesen märchenhaft inszenierten Versuchungen kritisch mit unserer Gesellschaft auseinander. Er schildert, wie die flotte und oberflächliche Journalistin Chiara von diesem jungen Mönch Arbo fasziniert ist, weil er so anders ist als ihre Freunde aus der Chiqui-Miki-Gesellschaft mit ihrem erbarmungslosen Streben nach Profit und dem aufwendigen, geschniegelten und doch aalglatten Lebensstil. Dieser Arbo mit seiner Unbescholtenheit, seiner Naivität lässt sie unruhig werden und in einer Schlüsselszene des Films fragt sie der junge Mönch: "Was findest du denn an mir besonders? Ich kann doch nur beten und singen!" Und Chiara gibt zur Antwort: "Ich glaube nicht an Gott. Aber du bist wunderbar!" Sie, die sonst die Männer um den kleinen Finger wickelt, begegnet Arbo mit ungeheurem Takt, und lässt ihm bis zuletzt die Freiheit, seiner inneren Stimme zu folgen.

Liebe Leser! Dieser Film wurde nicht von der Kirche als Werbung für geistliche Berufe in Auftrag gegeben. Er schildert vielmehr, was heutige Menschen noch an Glaube und religiösen Menschen fasziniert, was heute noch gesucht wird: Mystische Menschen, die aus ihrer Beziehung zu Gott leben, ihrer Stimme folgen und ihr Handeln nicht danach ausrichten, wie Menschen über sie denken und urteilen. Der Film "Vaya con dios", auf dem Weg zu Gott, bittet darum, mit innerem Feuer unsere oft weltfremd erscheinenden Werte zu leben, auch wenn sie zum Kosten-Nutzen-Rahmen und zum Karriereleiter-Denken querstehen. Gerade dies, so die Botschaft von "Vaya con dios" fasziniert noch heute und lässt unruhig werden. Und wenn Chiara am Ende des Filmes das ausdruckstarke Symbol der Kreuz-Stimmgabel, die Arbo nach einer Liebesnacht bei ihr hat liegen lassen, ihm ins Kloster nach Italien zurückbringen lässt, selbst aber nicht erscheint, damit er ganz frei "seiner Stimme folgen" kann, dann wirkt dies auf mich wie eine Bitte, die fremden Melodien Gottes auch noch in unsere Welt hineinzusingen und sie ihr nicht vorzuenthalten. Und diese Bitte ergeht nicht nur an Priester, Ordensleute sondern an alle, die tief drinnen noch spüren: Es ist ein Glück, an Gott glauben zu können, von ihm etwas zu erahnen und von ihm angerührt zu sein.


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de