Habt Ihr ein Zubrot?

Predigt zu Joh 21,1-14 (A/3.Sonntag der Osterzeit)

Es waren einmal zwölf. Jetzt sind es nur noch sieben. Es gab einmal Riesenenthusiasmus, Begeisterung für die Sache, Gemeinschaftsgeist. Mit ihrem Jesus wollten sie durch dick und dünn. Für ihren Jesus waren sie Feuer und Flamme.

Doch dann dieser schwarze Freitag im Kalender. Er brach der Jesusbewegung das Genick. Nichts wie weg aus Jerusalem. Enttäuschung und Trauer verarbeiten. Neu beginnen, aber wie? Nach dem Schock sind alle wie gelähmt. Keiner will so recht die Initiative in die Hand nehmen. Und da schlägt Petrus eine Routinearbeit vor, eine Arbeit, die sie verstehen: "Ich gehe fischen." – "Dann gehen wir halt auch mit." Begeistert klingt das gerade nicht. Hauptsache, es wird etwas getan. Hauptsache, man setzt sich wieder ein Ziel und hockt nicht einfach lethargisch herum, auch wenn noch der Elan fehlt. Doch es kommt nichts heraus bei ihrem Bemühen. Ihre Arbeit und Anstrengung ist vergeblich. Wiederum Enttäuschte und nochmals Frustrierte fahren auf das Ufer zu.

Wie verdammt ähnlich ist doch die Situation dieser Siebenermannschaft mit der Stimmung in unserer Kirche heute. Es werden weniger: Die Gottesdienstbesucher, die Theologiestudenten, die Anmeldungen für die Taufe, die Kirchensteuerzahler. Der große Optimismus der Konzilszeit ist schwer gedämpft. Ratlosigkeit, Zögerlichkeit und fast hilfloses Zuschauen in Bischofshäusern und Ordinariaten. In unseren Gemeinden fehlen zündende und ansteckende Initiativen, die auf Dauer etwas nach vorne bringen. Es wird dies und jenes probiert. Und dann dennoch dieses Gefühl derjenigen, die sich engagieren: Wir haben uns so angestrengt und bemüht, doch alles ist umsonst. Nichts kommt heraus bei all unserem Bemühen. Was ist zu tun in solchen Zeiten der Stagnation? Im Blick auf das heutige Evangelium fallen mir zwei Dinge auf.

Vom Ufer aus, wie aus einer anderen Welt, tritt der Auferstandene in die alltägliche Welt der Sieben ein. Er bemitleidet sie nicht, er macht ihnen auch keine Vorwürfe, sondern stellt ihnen in der Originalsprache des Evangeliums eine eigenartige Frage: "Kinder, habt Ihr nicht etwas Zukost?" In der antiken Welt verstand man unter Zukost oder Zubrot das, was zum handfesten Brot gegessen wurde. Meist ist Gemüse oder Fisch damit gemeint.

Für mich als heutigen Leser bekommt dieses Wort Zubrot jedoch eine besondere Note. Ich höre an uns die Frage Jesu nach dem Zubrot so: Habt Ihr in euren Gemeinden für Menschen wirklich ein Zubrot zu bieten, das heißt, etwas, was dem Leben Geschmack gibt, was dem Leben eine besondere Note gibt, etwas was andere nicht bieten können. Hinter dieser Frage Jesu nach dem Zubrot höre ich als Frage an unsere Gemeinden: Könnt Ihr Menschen von heute etwas bieten, was kein Verein, keine Medien, keine Geschäfte anbieten können. Ich höre die Frage versteckt: Fragt Ihr euch bei eurer Angebotspalette wirklich nach der Zukost, nach dem, was den Alltag ein Stück verwandeln und verzaubern kann. "Wir essen Brot, aber wir leben vom Glanz", meinte einmal die jüdische Schriftstellerin Hilde Domin.

Als zweites fordert Jesus die Sieben auf, das Netz auf der rechten Seite auszuwerfen. Jesus verlangt von seinen Jüngern also nichts Besonderes. Sie sollen das Gleiche tun, was sie vorher vergeblich getan haben. Aber sie sollen es auf sein Wort hin tun und eine bestimmte Seite des Bootes wählen, nämlich die rechte. Ich höre hinter diesem Auftrag Jesu für uns heute heraus: Wenn Ihr etwas beginnt, dann probiert nicht einfach dies und jenes, sondern setzt ganz bewusst bestimmte Akzente, fischt nicht überall herum in der Hoffnung, vielleicht bleibt doch einmal etwas im Netz hängen, sondern setzt eure Kräfte an bestimmten Punkten ganz bewusst ein. Wir brauchen nicht überall präsent sein, wir dürfen ruhig einseitig sein, aber Jesus erwartet, dass wir unser Tun bewusst unter sein Wort stellen und uns fragen: Kann sich unser Tun als sein Auftrag für unsere heutige Zeit verstehen?

Liebe Leser! Ostern begann für die Sieben mit der Frage nach der Zukost und dem Auftrag, ganz bewusst Akzente zu setzen. Könnte diese Ostergeschichte nicht auch uns heute von manchem Druck, den sich Menschen machen, die sich für unsere Gemeinden mitverantwortlich fühlen, befreien?


Pfarrer Stefan Mai

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