Gesichter geben der Gemeinde ein Gesicht

Predigt am 16./17.03.2002 (PGR-Wahl) – Röm 16,1–16

Predigt

Lassen Sie sich bitte einmal auf ein kleines Experiment ein. Schließen Sie bitte einmal ihre Augen- ich lasse ein wenig ruhige Musik spielen und nenne dann ein paar Namen. Welche Bilder tauchen da vor Ihren Augen auf?

Musik

Heilig Geist … … Peter und Paul … … Maximilian Kolbe



Was haben Sie gesehen? Ich denke, die meisten bei "Hl. Geist" die mächtige Fassade der neoromanischen Kirche, die großen, inzwischen schwärzlich gewordenen Steine der Kirche.

Bei "Peter und Paul" den gedrungenen Turm, die strenge Betonarchitektur, den lichtreduzierten Innenraum.

Bei "Maximilian Kolbe" die Kirchturmsilhouette, die beim Zufahren auf den Deutschhof über die Häuser spitzt, vielleicht das Ensemble des Pfarrzentrums, die gewaltige Balkenkonstruktion des Zeltdaches unserer Kirche, den lichtdurchflutenden Innenraum.

Auffällig ist für mich, was dem Apostel Paulus einfällt, wenn er an die christliche Gemeinde von Rom denkt. Es sind keine Gebäude. Nein, es sind 27 Namen: Priska, Aquila, Maria, Andronikus, Junias, Herodion, Apelles, Hermes, Persis, Nereus ... Es sind griechische, römische und jüdische Namen. Es sind Namen von Frauen und Männern. Und wie Paulus all diese Namen nennt, fallen ihm dazu Eigenschaften, Lebens- und Beziehungsgeschichten ein. Menschen, die mit ihm im Gefängnis saßen, die – wie es einmal wörtlich übersetzt heißt – den Nacken für ihn hingehalten haben. Er denkt an den Erstgetauften Asiens. Er denkt an die Namen, die sich im Gemeindeleben besonders abgemüht haben und zu denen er eine besondere Beziehung hatte.

Fast neun Jahre bin ich nun Pfarrer dieser Gemeinde St. Maximilian Kolbe. Als ich vor neun Jahre um diese Zeit herum auf die Deutschhofpfarrei angesprochen wurde, ging ich bewusst über den Marktplatz und schaute mir das Pfarrzentrum inkognito an. Es waren Gebäude ohne Gesichter. Ich erinnere mich dann noch an den Besuch bei Pfarrer Kargl, an das erste Gesicht aus der Gemeinde, das ich kennen lernte und wie mir beim Weggehen die Pfarrheimmannschaft, die gerade den Pfarrsaal bohnerte, nachschaute. Als ich beim Einführungsgottesdienst hier meine erste Predigt hielt und in die Runde der Gottesdienstbesucher blickte, da schaute ich in Gesichter ohne Namen ohne biographischen Hintergrund. Ich weiß noch genau, wie wir uns dann bei der ersten Pfarrgemeinderatssitzung gegenseitig vorstellten und etwas Typisches sagten, was uns zu unserem eigenen Namen einfiel.

Ich erinnere mich noch gut an das Gesicht eines Neuzugezogenen, der an der Pfarrhaustür klingelte und meinte: Ich bin wie Sie neu am Deutschhof. Seit dieser Zeit kamen Tag für Tag zu den Gesichtern Namen und immer mehr Lebensgeschichten hinzu. Wenn ich heute sage: "Liebe Gemeinde von Maximilian Kolbe" – und in die Runde blicke, dann sind es im Vergleich zum Anfang meist nicht mehr Personen ohne Namen. Dann sind Gesichter mit Erinnerungen an Begegnungen verbunden.

Ich glaube, auch die meisten von Ihnen haben einen ähnlichen Prozess durchgemacht. Wenn Sie sich überlegen, wie viele Gesichter Sie hier in diesem Gottesdienstraum kennen, mit welchen Gesichtern Sie Namen verbinden, mit wem Sie schon einmal gesprochen haben, mit wem Sie nach dem Gottesdienst zusammenstehen, mit wem Sie sich auf den verschiedensten Gebieten des Pfarreilebens mühen, bei wem Sie schon einmal in der Wohnung waren, von wem Sie Freuden und Sorgen kennen....

Ich glaube, Sie ahnen das Geheimnis einer Pfarrgemeinde: Je mehr Gesichter ich kenne, Namen und Lebensgeschichten damit verbinden kann, je mehr ich hinter den Gesichtern Personen und Persönlichkeiten entdecke, desto mehr bekommt Gemeinde für mich ein Gesicht.

Fürbitten

Als christliche Gemeinde vom Deutschhof sind wir versammelt und bitten dich, Gott:

Antwortruf: Gott, segne sie!

– Alle Menschen, die hier am Deutschhof leben …

– Alle, die den Deutschhof als ihre Heimat empfinden …

– Alle, denen Anonymität schwer zu schaffen macht und sich hier fremd fühlen …

– Alle, die sich heute als Pfarrgemeinderäte bei der Wahl zur Verfügung stellen und alle, die sich im Gemeindeleben bemühen …

– Alle, für deren Wohl wir heute unser Misereoropfer spenden und für alle die in Misereorprojekten arbeiten


Pfarrer Stefan Mai

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