Falten im Gesicht
Predigt zum Frauengottesdienst am 14.02.2002
Zufällig habe ich während der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City bei einem Bericht rund um das Tagesgeschehen aufgeschnappt, wie eine deutsche Biathletin erzählte, dass sie ein amerikanischer Reporter fragte, auf welche Schule sie eigentlich noch ginge. Die weit über Zwanzigjährige meinte daraufhin: "Das war für mich das schönste Kompliment der letzten Jahre."
Das ist das Ideal vieler Menschen: Jünger ausschauen als man ist. Gesicht ohne Falten trotz Älterwerden. Sich nicht verändern, der oder die Alte, oder besser gesagt die Junge bleiben.
Ganz anders urteilt eine Kurzgeschichte von Bert Brecht:
Ein Mann, der seinen Bekannten schon lange nicht mehr gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert!" "Oh", sagte dieser und erbleichte.
Was normalerweise als Kompliment aufgefasst wird: "Mensch, du hast dich gar nicht verändert!", da erschrickt, ja erbleicht dieser Mann. Denn es wird ihm bewusst: Sich mit den Jahren nicht verändern heißt Erstarrung. Immer der oder die Alte bleiben heißt am Ende kindisch bleiben.
Das große Wort der Bibel für die Fastenzeit heißt metanoeite, denkt um, kehrt um. Das heißt nicht: Bleib der Alte, sondern ändere dich! Das heißt: Sei stets bereit, eine neue Richtung in dein Leben hineinzubringen, neue Gedanken zuzulassen, die dich aus alten Geleise kippen können. Kehr um, ändere dich, das heißt nicht nur Rückkehr in schon bestehende Ordnungen, stets angepasst leben. Nein, das heißt: Brich neu auf! Lass Wandlung und Veränderung zu!
Vielleicht nehmen Sie in der Fastenzeit einmal alte Fotos von sich zur Hand, schauen sie einmal ganz bewusst an und beachten, wie sich Ihr Gesicht im Lauf der Jahre verändert und gewandelt hat und älter geworden ist. Vielleicht können Sie die Runzeln auf der Stirn, die Falten am Hals oder auf den Wangen positiver sehen in der Fastenzeit, die bewusst aufruft: Verändert Euch, anstatt ewig die Alten bleiben zu wollen.
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