Licht, obwohl ich schwarz bin

Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis (Mt 5,1-16)

"Na, wie is er denn in der Schul?" "Ach, es geht, aber e Leuchte is er grod net!" Wenn das Gespräch über den Sprössling, der ins Gymnasium gewechselt hat, so verläuft, dann drückt damit eine Mutter insgeheim ihre Enttäuschung aus, dass sie sich eigentlich von ihrem Kind mehr erwartet hat, bessere Leistungen, eine viel größere Leichtigkeit beim Lernen, mehr Kreativität und Esprit. Wie schnell werden dann auch die positiven Erwartungen heruntergeschraubt oder total übersteigert mit Druck herangetragen, wie wenig wird dann oft dem Kind noch zugetraut.

"Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid echte Leuchten!" Diesen Satz hören wir heute aus dem Mund Jesu. Dieser Satz galt damals nicht nur den Zwölfen. Nein, er galt denen, die arm dran waren, allen, denen zum Heulen zumute war, denen, die Sehnsucht hatten nach einer gerechteren Welt hatten und sich nicht mit den Ellbogen durchsetzen konnten. Und er gilt auch heute nicht nur den herausragenden Vorzeigefiguren der Kirche, nicht nur den Amtlichen. Nein, er gilt allen Christen. Dieser Satz bedeutet doch: Ohne uns Christen wäre die Welt ein Stück dunkler und ärmer, ohne uns Christen würde unsere Gesellschaft sich zu ihren Nachteil verändern, ohne uns Christen würde etwas entscheidendes am Deutschhof fehlen.

Diese Worte sind also Menschen zugesprochen, die sich mehr mittelmäßig als vollkommen vorkommen, die sich eher mit einer Taschenlampe mit schwachen Batterien und nicht mit Licht der Welt vergleichen würden, die sich oft als trübe Funzeln empfinden, die nur wenig Strahlkraft haben. Und von wegen: Kirche als Lumen Gentium, als Licht der Völker. Blickt sie selbst doch oft nicht mehr durch. Sie möchte zwar gerne Leuchtturm sein, sucht jedoch selbst Orientierungszeichen. Will Jesus mit solchen Worten ein wenig Trostpflästerchen verteilen, armselige Lichtlein ein wenig aufbauen und motivieren?

Ich halte Jesus nicht für einen dummen Lobhudler oder verdrehten Taktierer. Ich bin eher überzeugt, dass er von einer Lebenserfahrung spricht, die ein jüdischer Rabbi des 18. Jh. in prägnanten Worten zusammengefasst hat. Rabbi Jakob Jizchak von Lublin, der Seher genannt, sagte eines Tages: Wunderlich! Da kommen Menschen zu mir, die hält Schwermut in Banden, und wenn sie wieder weggehen, sind sie erhellt, wiewohl ich doch selbst schwarz bin und nicht leuchte.

Da kommt Licht durch mich in die Welt, wiewohl ich doch selbst kein Strahlemann bin

Da kommt hin und da ein Wort über meine Lippen, das anderen Mut macht, sie zum Nachdenken bringt und ihnen weiterhilft. Da bedeute ich Menschen viel und bin ihnen wichtig, obwohl ich selbst nichts Großes für sie getan habe. Da kommt mir eine zündende Idee, obwohl ich selbst gar nicht darum gerungen habe. Da tue ich in meinen Augen etwas ganz normales und anderen tut dies ungeheuer gut. Da tue ich manchmal Menschen gut, obwohl ich selbst nicht besonders drauf bin.

Vielleicht will Jesus mit seinem Wort "Ihr seid das Licht der Welt" das Vertrauen in mir stärken : In dir steckt mehr Leuchtkraft als du glaubst und zugleich dazu ermutigen, das nicht zu verdecken, was mir selbst geschenkt ist, nicht zu verstecken, was ich in mir trage.


Pfarrer Stefan Mai

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