Hat unsere Kirche noch missionarische Kraft?

Predigt zum Tag der Taufe Jesu

Wie ein gewaltiger Schlussakkord wirkt am Ende des Matthäusevangeliums der Taufbefehl Jesu: "Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe."Schmeckt Ihnen diese Sprache ? Passt Ihnen dieser Ton? Dieser Taufbefehl strotzt doch von einem ungeheuren Selbstbewusstsein, hat vielleicht sogar einen gewissen militärischen Unterton.

Ich bin überzeugt, dieser Taufbefehl Jesu am Ende des Matthäusevangeliums lässt sich nur richtig verstehen im Zusammenhang mit dem Tauferlebnis Jesu am Anfang seines öffentlichen Auftretens. Seine Taufe durch Johannes muss für Jesus so etwas wie ein religiöses Urerlebnis gewesen sein. Er sieht den Himmel offen und den Geist Gottes auf sich herabschweben. Sogar eine Himmelsstimme nimmt er wahr. Er ganz allein, während die anderen offensichtlich nichts davon mitbekommen. Und Jesus spürt, Gott ist mir ganz nah. Was Jesus bei seiner Taufe erlebte, das ließ ihn nie mehr los. Für ihn begann mit 30 Jahren ein neuer Abschnitt in seinem Leben und auch seiner Geschichte mit Gott. Was er selbst in der Taufe spürte, Gott hat Interesse an mir, er steht zu mir, das wird für ihn zum Lebensauftrag. Anderen Menschen zu zeigen und erleben zu lassen: Dieser Gott interessiert sich auch für dich. Jesus erlebt selbst im Auf und Ab eines menschlichen Lebens, welche Hilfe es ist, dieses Versprechen Gottes im Rücken zu haben. Deshalb wünscht er nach dem Matthäusevangelium allen Menschen, das gleiche erleben zu dürfen. Deshalb der Auftrag an seine Jünger, diese Erfahrung an alle Menschen weiterzugeben. Das ist die Motivation für die ungeheuere missionarische Kraft der jungen Kirche.

Vor zwei Jahren hat Bischof Wanke aus Erfurt einen aufsehenerregenden Hirtenbrief über den Missionsauftrag der Kirche für Deutschland geschrieben. Dieses Hirtenwort beginnt mit den Sätzen: "Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt etwas. Es ist nicht das Geld. Es sind auch nicht die Gläubigen. Unserer katholischen Kirche in Deutschland fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können. Das ist ihr schwerster Mangel. In unseren Gemeinden, bis in deren Kernbereiche hinein, besteht die Ansicht, dass Mission etwas für Afrika oder Asien sei, nicht aber für Hamburg, München, Leipzig oder Berlin." Soweit der Erfurter Bischof.

Es muss uns einfach zu denken geben, dass in München nur noch 30% der Kinder getauft werden und auch bei uns in der Provinz die Zahlen stetig fallen. Es muss doch zu denken geben, dass die erziehende Elterngeneration es nicht mehr schafft, ihren Kindern den Glauben als einen Lebensproviant auf den Lebensweg mitzugeben, der einem den Rücken stärkt. Es muss doch zu denken geben, dass den meisten der getauften Kinder später ihr Taufschein relativ "Schnurze" ist, dass sich immer mehr Menschen zum Teil schon in der zweiten oder gar dritten Generation von der Kirche entfernt haben. Und es macht mich nachdenklich, wie wir uns in den Kirchengemeinden mit dieses Tatsachen manchmal noch schmerzlich, aber immer mehr selbstverständlich oder resignierend abfinden.

Unsere Pfarrgemeinden werden in den nächsten Jahren auf dem Boden dieser Tatsachen zwei Möglichkeiten haben. Entweder sich mit sich selbst zu beschäftigen in ihren Gruppen; für diejenigen eine Beschäftigungstherapie zu erarbeiten, die von der Kirche noch etwas wollen, und ein bisschen schief oder beleidigt auf die zu blicken, die es nicht schätzen, dass wir es doch so gut mit ihnen meinen, und ansonsten solange zuzumachen, bis der Letzte das Licht ausmacht.

Oder die Kirche wird sich bewusst dafür entscheiden müssen, neu zu lernen, was "missionarische Kirche" heißt. Um es klar zu sagen: Mission bedeutet nicht Christenmacherei mit Druck, Angst oder falschen Versprechungen. Nein, Mission heißt ganz schlicht: Das weitersagen, was für mich selbst geistlicher Lebensreichtum geworden ist. Wir werden als Pfarrgemeinden neu begreifen müssen, dass wir in der Sendung Jesu stehen und nicht mehr einfach auf eine automatische Christenvermehrung warten können. Wir werden uns in Zukunft neu zu fragen haben: Was schmeckt mir noch am Evangelium, wo habe ich gute Erfahrungen mit meinem Glauben und Christsein gemacht, was habe ich Menschen aus meiner Kirche zu verdanken, welche großen Worte aus unserer christlichen Tradition sind für mich Lebenshorizonte, auf die ich mich ausstrecken kann, oder Lebensfundament, auf das ich mein Handeln aufbauen kann. Und: Was möchte ich davon nicht verloren gehen lassen? Was bewusst weitergeben?

Mit Bischof Wanke bin ich überzeugt: Nichtkirchliche Zeitgenossen reagieren auch heute dort sehr aufmerksam, wo Christen bescheiden und natürlich in Gesprächen und Alltagsbegegnungen mit eigenen Lebenserfahrungen herausrücken. Persönliches interessiert immer. Wie hast du es angepackt? Wie ist es dir damit ergangen? Christen, die andere am Leben teilhaben lassen, gerade auch, wenn es nicht glatt und problemlos verläuft, sind für ihre Umwelt interessant. Unser persönlicher Gottesglaube, auch mit seinen Zweifeln und Fragen spricht an und bringt zum Nachdenken. Menschliche Gesichter und Stimmen bewegen immer mehr als Sitzungen und Programme. Wo Glaubenserfahrungen in dieser Art weitergegegben werden, da öffnen sich auch heute neu Herzen, bekommen andere Mut, ebenfalls christliches Verhalten zu erproben.

Liebe Leser! Dies werden die entscheidenden Fragen in Zukunft sein. Mit solchen Fragen werden sich ein neuer Pfarrgemeinderat und die bestehenden Gruppen unserer Pfarrei viel mehr als bisher auseinander zu setzen haben. Wir werden uns fragen müssen: Wo gibt es glaubwürdigen Lernfelder, in denen christliche Lebenshaltungen eingeübt werden können, oder wie können wir uns um ihre Einrichtung bemühen? Ich persönlich sehe innerhalb unserer Pfarrgemeinde ein entscheidendes Lern- und Übungsfeld in unserem großen Kindergarten. Wir werden in den nächsten Jahren mit dem Team konzentriert darüber nachdenken: Wie können junge Eltern mit ihren Kindern, von denen die wenigsten kirchlich sozialisiert sind, an unserem Verhalten spüren: Das mit dem Christsein ist nicht Schnee von gestern oder kalter Kaffee. Wir werden uns neu fragen: Wie können Menschen, die hier an diesem Ort oft zum ersten Mal mit Kirche in Berührung kommen, spüren: Wir haben dir nicht nur einen Platz zu bieten, wir kommen dir nicht nur in deiner Familiensituation entgegen, sondern wir möchten dich auch mit dem geistigen Hintergrund in Berührung bringen, aus dem wir leben und zu handeln versuchen.

Die Worte von Bischof Wanke noch einmal aufgegriffen und auf uns in St. Maximilian Kolbe angewendet: Unserer Pfarrei fehlt etwas. Es sind nicht die Gebäude. Es sind nicht die äußeren Voraussetzungen. Es sind nicht die ehrenamtlich Engagierten. Es sind nicht die Gruppen und Aktivitäten. Es sind nicht die Gottesdienstbesucher. Unserer Gemeinde fehlt die Überzeugung, neue Christen gewinnen zu können. Finden Sie es reizvoll, ja im Sinne Jesu als Verpflichtung, neu über solche Fragen nachzudenken?


Pfarrer Stefan Mai

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