Entscheiden – aber wie?

Predigt zum 4. Adventssonntag (A/4: Mt 1,18-24)

Treffen Sie gerne Entscheidungen? Oder sind Sie froh, wenn Sie davor verschont bleiben? Wenn Sie entscheiden müssen, wie ist Ihnen da zumute? Bereiten Ihnen Entscheidungen Bauchweh? Oder fühlen Sie sich stark, wenn Sie etwas zu entscheiden haben? Wenn Sie entscheiden müssen – wie entscheiden Sie? Im Hau-Ruck-Verfahren, oder nach langem Hin- und Her-Überlegen? Holen Sie bei Entscheidungen Rat ein? Oder machen Sie die Sache mit sich ganz alleine aus? Schlafen Sie noch mal eine Nacht über eine getroffene Entscheidung? Oder ist Ihre Devise: Entschieden ist entschieden? Lassen Sie sich bei Entscheidungen von der Mehrheit leiten und von anderen beeinflussen – oder sagen Sie sich: Das ist allein meine Sache.

Heute steht uns ein Mann vor Augen, der sich entscheiden muss. Nicht: Was koch’ mer denn heut’? Ess’ mer Schnmitzel oder Fisch? Kaufe ich heute bei Aldi oder bei Lidl? Nein, der Mann, der heute im Evangelium entscheiden muss, der weiß genau: Diese Entscheidung betrifft die Lebensgeleise zweier Menschen. Da geht es um die Beziehung zwischen Josef und Maria. Es geht um Beieinanderbleiben oder Trennung.

Zunächst reagiert Josef außengesteuert. Er spürt den Druck der jüdischen Gesellschaft: Er fragt sich: Was tut ein Mann, der wie ich verlobt ist, d.h. nach damaligem Recht: Der Heiratsvertrag ist unterschrieben – und der merkt: seine Frau ist von einem anderen schwanger. Ein Mann, der etwas auf sich hält, bringt das vors Gericht.

Aber dieser Josef entscheidet sich gegen diesen Weg. Er möchte Maria nicht öffentlich bloßstellen und schlägt deshalb einen sozial verträglicheren Weg ein: Er will Maria in aller Stille entlassen. Und hofft, sie wird schon einen Weg finden, und er selbst wird schon darüber hinwegkommen, über eine enttäuschte Liebe.

Aber dann kommt noch etwas dazwischen: die göttliche Stimme im Unbewussten. Im Traum hört er den Auftrag: "Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen!" Das stellt seine Entscheidung nochmals in Frage: Solltest du nicht zu diesem Menschen stehen, egal was passiert ist, auch wenn die anderen dich dumm anschauen?

Und Josef wird wach für das, was für ihn stimmig ist. Er geht einen ungewöhnlichen Weg, kommt zu einer anderen Lösung des Konflikts, als ihn die Gesellschaft vorschlägt. Er bleibt bei Maria und steht zum Kind.

Liebe Leser, dieser Josef ist ein Mensch, der sich nicht von außen steuern lässt, sondern seiner Innensteuerung vertraut. Solche Menschen sind ein Segen. Denn solche Menschen spielen nicht, sind ehrlich zu sich selbst, machen ihr Handeln nicht abhängig vom Lob und Tadel anderer. Solche Menschen sind ein Segen: Denn Frauen und Männer nach dem Kaliber eines Josef können auch durch die eigene gewachsene Entschiedenheit anderen ein Stück Sicherheit und Verlässlichkeit schenken. Bei denen weißt du, wie du dran bist.

Wer von uns sehnt sich nicht danach, solche Josefstypen am Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis unter sich zu haben? Wer von uns sehnt sich nicht danach, ein solcher Josefstyp zu werden oder zu sein?


Pfarrer Stefan Mai

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