Augen schauen mich an

Bußgottesdienst im Advent am 16.12.2001

Einleitung

Augen können

Verzaubern

Botschaften senden

Verschlingen

Mit Blicken strafen

Vor sich hinstieren

Strahlen

Leuchten

Wie erloschen sein

Augen können

Glotzen

Stechen

Lieb anschauen

Still anfragen

Augen sind nicht nur Werkzeuge zum Sehen. Augen – so sagt der Volksmund – sind der Spiegel der Seele. Sie erzählen davon, wie ich denke und fühle, was mich bewegt.

In diesem Bußgottesdienst wollen wir heute bewusst einmal in zwei Augen schauen und uns von diesen Augen anschauen lassen.


Besinnung zum Bild von Bettina Rheims "Worte des Engels"

Die Photographin Bettina Rheims hat zum Jahr 2000 einen Bildband herausgebracht, der nicht nur unter Photographen großes Interesse gefunden hat. Sie gab ihm den Titel "I.N.R.I." Zu vielen Szenen der Evangelien hat sie Szenen stellen lassen und diese photographiert. So stellt sie die Kreuzigung Jesu verfremdend dar: In der Mitte das leere Kreuz Jesu, links eine gekreuzigte Frau, rechts ein gekreuzigter Mann. Oder: Jesus wird in einer Lagerhalle geboren, die 12 Jünger werden auf den sich Geleisen eines Bahnhofes berufen. Für die Verkündigungsgeschichte hat sie ein ganz besonderes Motiv ausgewählt:
Verkündigungsgeschichte lesen (Lk 1,26-38)

(Während der Besinnung spielt leise Meditationsmusik)

"Worte des Engels" hat Bettina Rheims diese Photographie eines Mädchengesichts genannt und will damit die Verkündigungsgeschichte darstellen. Dieses Gesicht finde ich faszinierend und anziehend: diese Augen, diese Mischung aus Erschrecken, Erwartung, Faszination, Offen-Sein, Hellhörigkeit und Offenheit. Bettina Rheims will in diesem Mädchengesicht etwas erahnen lassen, was die Worte des Engels in Maria ausgelöst haben: "Gegrüßet seist du Maria, du bist voll der Gnade. Der Herr ist mit dir."



Dieses Gesicht fragt auch mich:

Glaube ich, dass diese Sätze auch mir gelten? Du bist voll der Gnade! Der Herr ist mit dir! Kann ich noch spüren, dass ich im Leben beschenkt bin, ohne es verdient zu haben? Spüre ich zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Punkten meines Lebens, dass Gott in meinem Leben vorkommt.

Fühle ich mich durch ihn angesprochen und auch herausgefordert?

Was empfinde ich als Lebensaufgabe, die er mir in meinem Leben aufgibt?



Dieses Gesicht fragt mich:

Welche Blicke gehen von meinem Gesicht aus?

Welche Atmosphäre strahlt mein Gesicht aus: Güte – Verständnis – Wärme – Kälte – Scheu – Misstrauen - Ängstlichkeit?

Kann ich Menschen offen begegnen, ihnen in die Augen schauen?



Dieses Gesicht fragt mich:

Strahlen meine Augen noch etwas Erwartungsvolles aus?

Mit welchem Blick schaue ich auf die nächsten Wochen?

Erwarte ich noch Neues, erwarte ich Entwicklungen zum Guten?



Dieses Gesicht fragt mich:

Kann ich noch staunen?

Staunen über das Schöne, das ich in dieser Welt sehen darf?

Staunen, dass Menschen mich mögen, mich gerne sehen?



Dieses Gesicht fragt mich aber auch:

Wovor würde ich am liebsten die Augen zumachen ?

Wo schaue ich weg?

Wo suche ich Hilfe?


Pfarrer Stefan Mai

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